Die Republik Österreich erlebt gerade die größte Krise des Rechtstaates in ihrer Geschichte seit 1945.

Grundrechtseinschränkungen von vorher nicht vorstellbarem Ausmaß treffen die Österreicher seit etlichen Wochen. Zahlreiche namhafte Verfassungsrechtler und die gesamte Opposition kritisieren die gewählte Vorgangsweise der Regierungsfraktionen und –mitglieder bei der Normsetzung und –umsetzung seit Beginn der Krise.

Die Kritik betrifft einerseits die Gesetzesinitiativen in Monster-Sammelgesetzen, die eine Differenzierung nicht möglich machen und die darin erfolgten, `schlampigen` Regelungsinhalte („Husch-Pfusch“ nannte es Manfred Matzka). Besonders stößt in diesem Zusammenhang die ungenügend determinierten Ermächtigungen an Verordnungsgeber auf („formalgesetzliche Delegation“) und die entsprechende Vorgangsweise der dadurch Ermächtigten.

Auch die Phantasien von höchsten Repräsentanten dieser Republik zur Überwachung des Einzelnen wurden scharf kritisiert.

Dazu kommen noch die skandalösen Aussagen des Kanzlers, der sinngemäß mitgeteilt hat, dass die Verfassungsmäßigkeit der Covid-Normen insofern egal ist, als der VfGH sowieso nicht mehr rechtzeitig zur Überprüfung kommen wird.

Eine Person dürfte das alles nicht ganz so beschäftigen, wie man es erwarten könnte. „Wir müssen da jetzt gemeinsam durch“, so wurde unser Herr Bundespräsident am Beginn der Krise zitiert. Mit der geradezu seherischen Aussage: „Die Krise wird vorbei gehen“, ermunterte uns der HBP am Tag 18 der Ausgangsbeschränkungen. Sonst war eher wenig zu hören, außer Durchhalteparolen.

Schon klar, in Zeiten der Krise gilt es auch vom Staatsoberhaupt den Zusammenhalt der Gesellschaft zu propagieren und behutsam zu agieren – das sollte wohl auch außerhalb der Krise gelten.

Da war jedoch Herr Dr. Van der Bellen nicht immer ganz so zurückhaltend.

Als Beispiele seien genannt:

Im Februar 2018 sah er sich genötigt, eine Aussage des damaligen FP-Vizekanzlers vom Faschingsdienstag über Armin Wolf zu rüffeln.

Im Jänner 2019 teilt er uns mit, dass er Kritik der FPÖ an der Caritas nicht in Ordnung finde. Damals bezweifelte Van der Bellen die Verfassungskonformität der von der Regierung geplanten Verstaatlichung der Rechtsberatung von Asylwerbern: „Wenn es so weit kommt, werden wir uns das in der Präsidentschaftskanzlei verfassungsrechtlich genauer anschauen“, sagte Van der Bellen. „Denn eine solche Maßnahme tangiert die Grundrechte.“ – übrigens, die von türkis-blau getroffenen diesbezüglichen Bestimmungen sind noch immer in Kraft.

Auch das „Rattengedicht“ eines FPÖ-Kommunalpolitikers bewegte den HBP vor genau einem Jahr zu einer „Mahnung“ des damaligen FPÖ-Bundesobmannes.

Auffällig dabei: es ging regelmäßig um „Maßregelungen“ gegenüber den Freiheitlichen.

Am 24. April kam unser Bundespräsident nicht mehr ganz aus: bei der Angelobung der grünen Verfassungsrichterin und Vizepräsidentin des VfGH musste er sich durchringen, ein paar Worte zur Krise zu verlieren.

Dabei sagte er: „Im Umgang mit solchen Krisensituationen zeigt sich, wie groß der Gestaltungsspielraum innerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens sein kann.“

–           Sie können sich an den Aufschrei beim Hofer-Sager: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“ erinnern – jetzt wundern wir uns wirklich, allerdings hat der knapp unterlegene Präsidentschaftskandidat nichts damit zu tun, sondern die Nonchalance des tatsächlich gewählten Bundespräsidenten im Umgang mit dieser Krise des Rechtsstaates.

Und es gehe nunmehr laut Dr. Van der Bellen um Grundrechtsabwägungen, welche „weder neu, noch selten sind“.

–           Also alles nicht so schlimm? Ich wiederhole mich – eine derartige massive Einschränkung zahlreicher Grundrechte und die Vorgangsweise der Regierenden ist einmalig in der 2. Republik.

Weiters teilt uns der Bundespräsident mit: Die Einschränkungen seien durch die Situation gerechtfertigt und müssen mit einem Ablaufdatum versehen sein.

–           Auch in Zeiten der Krise müssen Normen entsprechend dem Stufenbau der Rechtsordnung verfassungskonform sein, egal wie lange sie in Kraft sind – genau das nennt man Rechtsstaat.

Der Bundespräsident hat die Beurkundung des verfassungsmäßigen Zustandekommens der Bundesgesetze vorzunehmen (Artikel 47 Abs 1 B-VG) – die aktuellen Covid-Gesetze hat Dr. Van der Bellen ohne mit der Wimper zu zucken alle durchgewunken – dabei hätte er sich gerade bei seinem nicht gerade durch überbordenden Mut bekannten Vorgänger ein Beispiel nehmen können: Dr. Fischer hat im Jahr 2008 seine Unterschrift zur Gewerbeordnungsnovelle verweigert – eine Ansicht, die auch der damalige Verfassungsgerichtshofpräsident Karl Korinek geteilt hatte. Für ihn war es „erfreulich“, dass Fischer seine Kompetenzen wahrgenommen und ein „evident verfassungswidriges“ Gesetz zurückgeschickt hat.

Gerade jetzt wäre es wichtig, einen aufmerksamen und auf den Rechtsstaat achtenden Bundespräsidenten zu haben – und nicht einen lieben „Grüßaugust“.

PS: Es gibt übrigens einen, der laut Bundesverfassung tatsächlich gesetzändernde Verordnungen erlassen darf, allerdings nur unter sehr strengen Voraussetzungen – wer? Erraten, der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung (vgl. Artikel 18 Abs. 3 B-VG).